Auch die ESTV kann sich verschätzen, sollte es aber nicht zweimal tun

Ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgericht zeigt eindrücklich, dass auch Ermessensentscheide der ESTV einlässlich begründet sein müssen. Stossend an diesem zugunsten des Steuerpflichtigen ergangenen Entscheid ist der Umstand, dass die ESTV zum zweiten Mal angewiesen wird, ihre Schätzung zu begründen. Auch wenn die ESTV behauptet, ihre Schätzung sei zugunsten des Steuerpflichtigen ausgefallen, hat sie nachzuweisen, dass die Schätzung der Realität möglichst nahe kommt und auf nachvollziehbaren Kriterien beruht. Der Schluss der ESTV, dass die Schätzung «zugunsten» des Beschwerdeführers ausfällt, muss deshalb als reine Mutmassung abgetan werden.

Klar sind auch die Instruktionen des Bundesverwaltungsgerichts an die ESTV, dass sie das erforderliche Datenmaterial zu beschaffen hat und weitere Abklärungen vornehmen muss, wenn ein Rückgriff auf vergleichbare Betriebe bzw. Erfahrungszahlen nicht möglich ist. „Die Umkehr der Beweislast darf nicht zur Folge haben, dass die ESTV beliebig von ungestützten Annahmen ausgehen und dem Steuerpflichtigen alsdann zumuten darf, die Unrichtigkeit ihrer Ermessenseinschätzung zu beweisen“ (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 852/2012 vom 27. September 2012 E. 2.4).

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet zwar zugunsten des Steuerpflichtigen; dies ist aber nur ein Teilerfolg. Die ESTV kann im dritten (!) Anlauf immer noch die Angemessenheit ihrer Ermessenseinschätzung erreichen und im schlimmsten Fall sogar noch über ihre ursprüngliche Schätzung hinausgehen.

Der Steuerpflichtige ist deshalb gut beraten, es gar nicht erst zu einer Ermessenseinschätzung kommen zu lassen und die ESTV umfassend zu dokumentieren, wenn Aufrechnungen zur Diskussion stehen, die auf Annahmen beruhen. Es ist einfacher eine eigene Berechnung zu plausibilisieren, als eine fremde Berechnung als unangemessen zu bekämpfen.

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