Das kann man durchaus auch anders sehen

Einmal mehr ist es in einem aktuellen Bundesgerichtsentscheid (2C_368/2022 vom 16. Dezember 2022) um den Subventionsbegriff gegangen. Zu beurteilen war ein Forderungsverzicht, den eine Berggemeinde zugunsten der Bergbahn AG ausgesprochen hat. Sie war an der Aktiengesellschaft nicht beteiligt und hatte das Darlehen vor Jahren gewährt. Im Rahmen eines Nachlassvertrages, dem alle Gläubiger zugestimmt haben, hatte auch die Gemeinde auf rund 97% ihrer Forderung verzichtet.

aus: Gigergraphics.ch; Cartoon der Woche

Konkret ging es in diesem Verfahren darum, ob ein Forderungsverzicht der öffentlichen Hand ein Nichtentgelt ist, das unter Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG fällt und somit nicht zu einer Vorsteuerkürzung führt oder ob der Forderungsverzicht als Subvention oder anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag zu qualifizieren ist, der eine Vorsteuerkürzung zur Folge hat. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Gemeinde die Bergbahn AG mit dem Forderungsverzicht begünstigt und „damit in erster Linie ein volkswirtschaftliches, regionalpolitisches, strukturpolitisches oder andersartiges öffentlich-rechtliches Ziel verfolgt.“ Der Forderungsverzicht sei als „öffentlich-rechtlicher Beitrag“ zu würdigen und führe deshalb zu einer Vorsteuerkürzung. Zudem erwähnt das Bundesgericht, dass die Gemeinde auch nicht mit einer Beteiligung abgefunden wurde.

Meines Erachtens kann man bei Forderungsverzichten, die durch die öffentliche Hand ausgesprochen werden, durchaus zu einem anderen Urteil kommen. Fragen löst vor allem auch die Aussage des Bundesgerichts aus, dass die Vorinstanz nicht näher untersucht hat, „aus welchen Gründen und zu welchem Zeitpunkt die verzichtenden Gemeinwesen im vorliegenden Fall als Darleiher in Erscheinung getreten sind.“ Auch das Bundesgericht hat diese Frage nicht näher geprüft. Dies ist aber bei der Beurteilung, ob es sich beim Forderungsverzicht um einen öffentlich-rechtlichen Beitrag handelt, zentral.

Gemeinwesen können durchaus (privatrechtliche) Darlehen vergeben und dies m.E. auch dann, wenn sie damit eigene Ziele wie z.B. die Tourismusförderung verfolgen. Wenn auch (private) Dritte im Zeitpunkt der Vergabe der Darlehen vergleichbare Verträge zu marktgängigen Konditionen abgeschlossen hätten, dann sind die Darlehen nicht als öffentlich-rechtliche Beiträge zu qualifizieren. Als öffentlich rechtliche Beiträge kommen allerdings auch Vorzugsbedingungen wie fehlende Verzinsung und Erlasse von Darlehensforderungen infrage.

Beim Forderungsverzicht ist sodann zu prüfen, unter welchen Umständen die Gemeinde auf die Forderung verzichtet hat. Wenn sie – wie im vorliegenden Fall – dies im Rahmen eines Nachlassvertrags macht, dem auch alle anderen (auch privatrechtlichen) Gläubiger zugestimmt haben, dann darf der Forderungsverzicht nicht in einen öffentlich-rechtlichen Beitrag mit entsprechenden Vorsteuerkürzungen umqualifiziert werden.

Da das Bundesgericht die Hintergründe der damaligen Darlehensvergabe nicht näher geprüft hat, sondern einzig festhält, „dass es nicht zu den Kernaufgaben einer Einwohnergemeinde zählt, die am Ort gelegene Bergbahn finanziell zu unterstützen“, basiert der Entscheid auf einem unvollständig geklärten Sachverhalt und das Bundesgericht hätte das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückweisen müssen.

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