Anfangs Oktober 2020 hat die ESTV die völlig überarbeitete Fassung der MWST-Info 20 zur zeitlichen Wirkung von Praxisfestlegungen publiziert.
Die ESTV unterscheidet nun zwischen erstmaligen Praxisfestlegungen, Änderungen der bestehenden Praxis und Praxispräzisierungen. Die Praxisänderungen können auf eine Anpassung des MWSTG, auf ein Gerichtsurteil oder auf eine Neubeurteilung des Sachverhaltes durch die ESTV zurückzuführen sein. Wann die Praxisänderung in Kraft tritt ist insbesondere davon abhängig, ob sie sich zu Gunsten oder zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkt, wobei auf die Steuerforderung abgestellt wird, die tiefer oder höher ausfällt.
Die bisherige MWST-Info 20 war in diesem Punkt etwas offener formuliert und stellte darauf ab, ob die neue Praxis günstiger oder strenger ist. So kann es durchaus sein, dass die Steuerforderung zwar höher ist, aber weil die MWST überwälzt werden kann, die Praxisänderung für den Steuerpflichtigen trotzdem günstiger ist.
Die neue Broschüre nimmt nun nicht mehr Bezug auf die Änderung des MWSTG per 1.1.2010, sondern verwendet aktuelle Beispiele.
Als Grundsatz ist für die Wirkung der Praxisänderung darauf abzustellen, dass die Änderungen zu Lasten des Steuerpflichtigen erst ab dem nach dem Publikationszeitpunkt folgenden Semesterbeginn (1. Januar oder 1. Juli) anwendbar sind. Wirken sich die Änderungen zu Gunsten des Steuerpflichtigen aus, so können sie rückwirkend auf die noch nicht verjährten Steuerperioden angewendet werden. Diese Rückwirkung verwehrt die ESTV jedoch dann, wenn sich „das Unternehmen in diesem Bereich mehrwertsteuerlich nicht rechtskonform verhalten haben sollte.“
Hat die steuerpflichtige Person gegenüber dem Leistungsempfänger die MWST fakturiert, ist eine Korrektur auch nur noch im Rahmen von Artikel 27 Absätze 2–4 MWSTG möglich.